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Theater, TEXT <piano, pianissimo> German 30th July, korean -3

글쓴이 : 김상수 날짜 : 09-06-24 08:35 조회 : 20300

2. Kapitel: Sprechen, Schweigen, Lieben

Anjas Wohnung in Berlin.
Anja ist konzentriert beim Schreiben ihres Romans. Nur das Licht des Monitors beleuchtet den Raum. Anja liest vor, was sie gerade schreibt.
„Liebe bedeutet Opfer. Körper und Seele können nicht getrennt werden.“ Gala hat geschrieen. Gala hat geschrieen?
Sie ist unsicher und wägt ab.
Hm? Das, was sie gesagt hat, klingt so leer.
Anja steht auf und geht auf und ab.
Also hat Gala sich mit ihrem Körper und ihrer Seele identifiziert. Sie lügt! Sie ist eine Lügnerin! Gala hat auch gesagt. „ich habe nichts. Ich habe wirklich nichts. Nur dich! Und meine Liebe zu dir!“ Das ist auch eine Lüge!
Sie geht zum Tisch, schaut in den Monitor ihres Notebooks und sieht sich im Raum um. Sie blickt nach vorne und spricht.
Dass sie sich mit ihrem Körper und ihrer Seele identifiziert hat, ist eine Lüge. Obwohl sie behauptet hat, dass sie ihn liebt, hat sie vor allem ihrem Mann Paul Éluard viel Schmerz zugefügt, weil sie die ganze Zeit von einer anderen Welt und einem anderen Mann geträumt hat. Paul hat Gala geliebt und hat es zugelassen, dass sie nicht mit ihm schlafen wollte. Sie fühlte sich von ihm körperlich nicht angezogen. Was soll das sein? Heißt das, dass sie zu der Zeit noch Jungfrau war? Was für eine Geschichte! Éluard hat sehr gelitten und hat sein unbefriedigtes Verlangen in seinen widersinnigen Worten ausgedrückt.
„Küss meine schmalen Hüften, meinen verführerischen Körper, aber nicht meine Lippen und nicht meine Geschlechtsteile.“
Was, wie kann man ohne die Muschi und die Lippen zu küssen miteinander schlafen. Was für eine unsinnige Geschichte! Wenn Gala Éluard liebt, dann müsste sie wollen, dass er sie da anfasst. Sie müsste mit ihm schlafen, um heraus zu finden, ob sie ihn liebt.

Das Handy klingelt. Sie zögert und schaltet das Handy nervös aus. Sie setzt sich ganz nah an das Notebook ran und schreibt weiter.
Zur gleichen Zeit:.

#1
Claudia ruft vom Flughafen Charles de Gaulles in Paris jemanden an. Man hört den Verbindungston, der plötzlich abbricht.
Das Flugzeug startet.

#2
Berlin Tiergarten im Winter. Anja schaut den großen Baum an. Sie zündet sich eine Zigarette an. Sie geht rauchend vor dem Baum auf und ab.
Anja setzt sich auf eine Parkbank. Sie versucht, sich eine Zigarette anzuzünden, das Feuerzeug gibt kein Feuer, sie wirft das Feuerzeug und die Zigarette weg.

Bühne:

Sie sitzt an ihrem Notebook am Tisch. Plötzlich steht sie auf.
Sie geht von der Bühne ab.

#3
Tiergarten in Berlin im Sommer. Anja schaut den großen Baum an. Sie zündet sich eine Zigarette an. Sie geht rauchend vor dem Baum auf und ab. Anja setzt sich auf eine Parkbank. Sie versucht sich eine Zigarette anzuzünden, das Feuerzeug gibt kein Feuer, sie wirft das Feuerzeug und die Zigarette weg.

Genau gleich wie Szene 2 nur im Sommer.

#4
Berlin. Flughafen Tegel. Claudia steigt in ein Taxi am Taxistand. Sie wählt ständig eine Nummer auf ihrem Handy. Aber das Handy des Angewählten ist ausgeschaltet. Claudias Gesicht verfinstert sich. Sie schaut aus dem Taxifenster.

#5
Claudia sitzt seit langer Zeit auf der Treppe vor Anjas Wohnungstür und liest ein Buch. Neben ihr steht ein Koffer. Claudia steht auf und hüpft einige Male auf und ab, um sich etwas zu bewegen.
Es ist Nacht. Claudia schläft auf der Treppe.
Anja kommt die Treppe hoch und trifft Claudia an. Sie ist überrascht.
Sie geht auf die schlafende Claudia zu und streichelt ihr das Haar.
Claudia erwacht und das Buch fällt zu Boden. Claudia lächelt.
Claudia: Hi
Anja sehr überrascht: Claudia, seit wann bist du da? Du hast doch gesagt, dass du mich anrufst, bevor du nach Berlin losfährst.
Claudia: Anja wie geht es dir? In Berlin hat der Sommer schon angefangen.
Anja: Oh mein Gott! Sie umarmt Claudia.

Bühne:
Anja trägt Claudias Koffer. Claudia folgt ihr.

Wenn die Filmszene beendet ist, kommen die beiden Frauen hell lachend auf die Bühne.

Claudia: Der Sommer in Berlin ist genauso heiß, wie in Paris.
Anja: Heiß? Es wird immer heißer. Die Erde wird heißer, weil die Menschen nur Müll produzieren und die Erde verschmutzen. Wahrscheinlich wird die Erde irgendwann explodieren. Bumm!
Claudia: Kann ich die Fenster öffnen? Hier ist es so dunkel und heiß.
Anja: Nein, ich will das nicht!
Claudia: Kann ich das Licht anzünden?
Anja: Nein, ich will das nicht. Ich mag es nicht, wenn es hell ist. Dann mach den Fernseher an!
Claudia: Es ist zu dunkel!
Anja: Ich mach die Fenster nicht auf, bis ich einen Roman fertig geschrieben habe.
Claudia: Warum?
Anja: Ich schließe die Fenster wenn ich schreibe, damit meine Gedanken nicht davon fliegen.
Claudia: Deine Gedanken können wegfliegen?
Anja: Denke an Milch, die wir trinken. Wenn sie draußen ist und Zimmertemperatur hat, wird frische Milch schlecht.
Claudia: Was? Die frische Milch wird schlecht?
Anja: Genau. Text schreiben ist ein Vorgang, wie die Herstellung von Käse. Man lässt den Text gären bis er verfault. Aber frisch verfault! Wenn es dir zu dunkel ist, dann schalte den Fernseher ein.
Claudia: Okay!

Sie schaltet den Fernseher an. Es läuft eine Nachrichtensendung.
Das Licht des Laptops und des Fernsehers sind die einzigen Lichtquellen.
Anja: Bring ihn um!
Claudia: bitte?
Anja: Ich meine die Lautstärke des Fernsehers etwas leiser!
Claudia: Ach so.
Sie dreht die Lautstärke nach unten. Sie schaut sich im Raum um.
Claudia: Kann ich eine Dusche nehmen?
Anja: Ja klar.
Claudia: Danke!
Anja: Soll ich dir helfen, dich auszuziehen?
Claudia: Nein, ich schaff das schon selbst.
Anja geht zu Claudia
Anja: Zieh dich aus!
Claudia ist beschämt.
Anja: Zieh dich schnell aus. Hier ist es heiß!
Claudia dreht sich mit dem Rücken zu Anja und zieht sich aus.
Anja schaut Claudia von hinten an.
Claudia ist nackt und dreht sich etwas schüchtern um. Sie geht auf Anja zu und küsst sie leicht auf ihre Wangen und geht schnell ins Bad ab.
Anja fasst mit ihrer rechten Hand an die Stelle, wo Claudia sie geküsst hat. Sie führt ihre Hand zu ihrer Nase und riecht daran.
Sie geht zum Tisch und setzt sich hin. Sie tippt in ihren Laptop und liest gleichzeitig vor, was sie gerade schreibt.
Anja: Gala ist eine gefährliche und mysteriöse Frau. Man weiß nie, was sie als nächstes vorhat. Sie ist unberechenbar. Ihre Stimmungen schwanken plötzlich von rosafarben bis hin zu tiefstem Schwarz. Sie leidet unter ihrer Anspannung und Depression und dieser Zustand kann ein paar Tage oder auch nur ein paar Minuten dauern. Vielleicht ist sie einfach verrückt.
Anja hebt ihren Kopf und denkt nach. Laut sprechend.
Ist sie verrückt? Ist Gala verrückt? Nein! Meine Gedanken sind falsch! Ich habe es falsch geschrieben. Sie ist nicht verrückt! Sie ist nicht verrückt!
Claudia kommt aus dem Bad. Sie trägt einen weißen Bademantel. Sie ist erschrocken über Anjas laute Stimme.
Claudia schaut Anja an: Ist alles okay mit dir? Ist alles okay mit dir?
Anja: Was denn?
Claudia: Ich meine, weil du plötzlich geschrieen hast, dachte ich, es sei vielleicht etwas passiert.
Anja: Ich lese gerade aus meinem Roman.
Claudia: Ach so, ich verstehe.
Claudia geht zu ihrem Tisch.
Claudia: Du liest gerade aus deinem Roman.
Anja zündet sich eine Zigarette an.
Anja : Claudia, Was denkst du über Gala?
Claudia denkt nach.
Claudia : Gala ist eine Frau, die immer wieder trinkt, und deren Durst trotzdem nie gestillt werden kann.
Anja: Gala ist eine Frau, deren Durst nie gestillt werden kann?
Claudia: Ja. Gala wusste nichts über die Reinheit und Frischheit der Liebe.
Anja plötzlich schreiend.
Anja: Kann Liebe frisch und rein sein?
Claudia erschrocken.
Claudia: Warum schreist Du so? Ich bin nicht taub!
Anja: Du hast eben von frischer und reiner Liebe gesprochen.
Claudia: Ja, natürlich. Liebe ist rein.
Anja: Du bist so jung und unerfahren. Du kennst die Realität nicht und auch die wirkliche Liebe nicht.
Claudia: Ich bin nicht jung. Ich bin einundzwanzig Jahre alt und ich habe schon viel erfahren.
Anja: Du hast schon viel erfahren? Du? Naja, du hast die Erfahrung einer Einundzwanzigjährigen. Aber Liebe heißt leiden. Liebe ist klebrig und Liebe verletzt und die Verletzungen verheilen nur schwer. Es bildet sich immer wieder neuer Wundsekret.
Claudia: Wundsekret?
Anja: Und es stinkt. Du weißt nicht, wie schmutzig Sperma ist. Man kriegt es fast nicht mehr aus dem Laken raus. Und es riecht auch schlecht.
Claudia: Ich weiß nicht genau. Ist Scheidenflüssigkeit nicht auch so klebrig wie Sperma?
Anja: Nein. Ganz anders. Die Farbe ist schon anders.
Claudia: ... auf jeden Fall hat Gala Liebe nur vorgeschoben und statt dessen ständig das Bedürfnis nach einer neuen Liebe. Ich glaube nicht, dass sie die Männer geliebt hat, mit denen sie zusammen war. Ich denke, sie war eine sehr unglückliche Frau.
Anja: Junge und dumme Leute behaupten, Paul Éluard, Galas erster Ehemann, sei ein toller Mann gewesen.
Claudia: Warum?
Anja: Paul hat die Freiheit vertreten. Er war der Meinung, dass Männer und Frauen gleiche Rechte haben sollen, deswegen hat er zugelassen, dass Gala andere Liebhaber hatte, weil er auch andere Frauen hatte. Er hat damit aber nur ein Alibi geschaffen.
Anja schaut Claudia ausdruckslos an.
Anja: Claudia, glaubst du, dass Menschen, die verheiratet sind oder die in einer Beziehung leben, nebenbei noch andere Partner haben können?
Claudia schüttelt den Kopf.
Anja: Wenn es gegenseitig vereinbart wurde, können Paare andere Affären haben? Wenn es vereinbart wurde? Was vereinbaren sie? Dass beide Affären führen?
Anja wird wütend. Sie zittert am ganzen Körper und schreit.
Anja: Nein, das geht nicht!
Claudia erschrickt.
Anja schießen die Tränen in die Augen.
Anja: Das geht nicht, das geht nicht. Das ist keine Liebe. Das ist nur ein Spiel! Das ist bloß ein Ausweg, sodass man sich einfach flüchten kann, wenn die Liebe verloren gegangen ist.
Claudia ist verwirrt von Claudias Heftigkeit.
Anja schaut Claudia prüfend an.
Anja: Mit dieser gegenseitigen Vereinbarung können wir ficken mit wem wir wollen, wie die Straßenköter. Wenn es gegenseitig vereinbart wurde. Ist das fair? Und was ist, wenn es keine gegenseitige Vereinbarung gibt. Nein! Man darf niemanden belügen und betrügen, auch sich selbst nicht. Das ist doch so, oder? Das ist so. Man darf nicht betrügen, oder?
Claudia sehr leise.
Claudia: Ja.
Anja: Okay! Lass mich in Ruhe! Ich muss jetzt an meinem Roman weiter schreiben.
Claudia geht zu Anja.
Claudia: Gala ist eine Madonna des Verlangens.
Anja: Was meinst du damit?
Claudia: Was ich vorhin schon gesagt habe. Gala ist so durstig, dass ihr Durst nicht gestillt werden kann. Deswegen hat ihr ein Mann nie genügt.
Anja: Meinst du? Sie ist wie Madonna. Die Sängerin. Sie ist auch nie lange mit einem Mann zusammen geblieben. Sie jagt die Männer weiter, obwohl sie schon über fünfzig ist.
Claudia lachend.
Claudia: Auf Männerjagd?
Anja: Es ist so, sie hat viel Geld und wenn sie sich von einem Mann trennt, gibt sie ihm viel Geld.
Claudia: Das heißt, wenn man viel Geld hat, kann man auf Männerjagd gehen?
Anja: Natürlich! Geld! Geld! Alles Geld! Die Welt wird immer kapitalistischer! Mit Geld kann man alles machen.
Claudia: Anja, es ist nicht immer so. Es gibt mehr Menschen auf der Welt, die echte Liebe gefunden haben, als solche, die Liebe kaufen.
Anja: Okay. Ich schreibe jetzt an meinen Roman weiter. Kümmere dich um deine Dinge.
Sie kommt Anja sehr nahe.
Claudia: Galas Durst nach Liebe konnte nie gestillt werden.
Anja tippt auf ihren Laptop.
Anja: Das hast du schon mal gesagt, dass Gala ihren Durst nach Liebe durch Männerjagd zu stillen versucht hat.
Claudia geht noch näher auf Anja zu.
Claudia: Wir werden alle immer durstiger, weil es nicht genug Wasser auf der Welt gibt. Die Menschen zerstören die Wälder und fällen die Bäume.
Anja: Was redest du da gerade? Welchen Zusammenhang gibt es zwischen Galas Durst und der Wasserarmut auf der Erde?
Claudia: Es ist anders und gleich. Es geht um das gleiche Wasser und wieder nicht. Auf dem Niveau der Begierde ist es gleich.
Anja: Begierde auf welchem Niveau?
Claudia: Wir müssen die Augen öffnen, und uns klar mit den Problemen beschäftigen. Wir müssen etwas tun, damit das Grundwasser weiter fließen kann und nicht aufgebraucht wird, sodass Tiere und Pflanzen nicht aussterben.
Anja bekommt Kopfschmerzen von Claudias Anschauungen.
Anja: Claudia, was redest du denn da?
Claudia: Letztendlich ist Galas Seele unglücklich. Sie ist eigentlich immer im Dunkeln getappt und sie hat immer nur ihre Begierden zu stillen versucht und ist dann gestorben. Obwohl sie ständig Wasser getrunken hat, konnte ihr Durst nicht gestillt werden. Ihre Begierden haben sie krank gemacht. Sie konnte irgendwann nicht mehr weiter trinken, weil es kein Wasser mehr gab.
Anja: Gala ist eine besondere Frau. Sie ist keine gewöhnliche Frau. Sie hat sehr viele Liebschaften gehabt, nicht nur Paul Éluard, Max Ernst und Salvador Dalí - auch noch viele mehr. Für sie waren die Männer wie ein Spielzeug. Und Paul war auch pervers. Er war schwul und trotzdem war er immer auf der Suche nach den Frauen. Er schläft mit anderen Frauen und denkt dabei an Gala, an den nackten Körper von Gala. Er hat Gala gebeten, Bilder zu schicken, Bilder von ihrem nackten Körper. Er konnte nur mit anderen Menschen schlafen, wenn er dabei Galas Bilder angeschaut hat. Paul ist ein unglücklicher Mensch gewesen. Und auch die Frauen, die mit Paul zusammen gewesen sind, waren unglücklich.
Claudia: Sex ist etwas Natürliches. Der Mensch ist auch Natur. Aber Gala hat sich gegen die Natur gewendet. Gala ist achtzig Jahre alt geworden. Obwohl Gala so viele Schönheitsoperationen gehabt hat, sah man ihr das Alter an. Die Ärzte teilten ihr mit, dass sie ihr Gesicht nicht mehr weiter operieren konnten. Daraufhin hat Gala aufgegeben.
Anja: Woher weißt du so viel über Gala?
Claudia: Ich hab dir doch erzählt, dass ich ihre Biographie von Dominique Bona gelesen habe.
Anja: Wann hast du mir das erzählt?
Claudia: Erinnerst du dich nicht an unser erstes Treffen im Café Flora?
Anja denkt nach.
Anja: Als ich dich in Paris zum ersten Mal getroffen habe.
Claudia: Ja, im Café Flora in Paris. Damals habe ich dir erzählt, dass ich die Biographie von Romain Gary spannender fand, als die von Gala.
Anja: Wer? Romain Gary? Der französische Schriftsteller, der sich mit einer Pistole erschossen hat?
Claudia: Ja. Der Schriftsteller, der sich mit einer Pistole erschossen hat.
Anja: Romain Gary ist auch Russe wie Gala. Er ist in Russland geboren. Als er dreizehn Jahre alt war, ist der Erste Weltkrieg ausgebrochen und er ist mit seiner Mutter nach Nizza geflüchtet. Er war der Sohn eines armen Emigranten. Er war in der Resistance und ist dadurch sehr bekannt geworden und ist dann Diplomat geworden und danach wurde er Schriftsteller. Eines Tages hat er sich mit einer Pistole erschossen. So ist er ums Leben gekommen. Romain Garys Mutter hat ihn allein großgezogen. Obwohl sie sehr arm war, war sie bemüht ihrem Sohn eine gute Ausbildung zu ermöglichen. Sie war Diabetikerin, hatte aber kein Geld um Insulin zu besorgen. Immer wenn sie das Haus verließ, war in ihrer Mantelinnenseite ein Zettel befestigt, auf dem stand: „Ich bin Diabetikerin. Wenn ich umfalle, bitte nehmen Sie den Zucker aus meiner Tasche und führen Sie ihn zu meinem Mund.“ Sie arbeitete viel und sparte das Geld lieber für ihren Sohn. Romain Gary hatte großen Respekt vor seiner Mutter und liebte sie sehr. Er entwickelte daraus eine große Wut auf die Welt und litt unter der Ungerechtigkeit. Er war sehr frustriert, weil er seiner Mutter helfen wollte, es aber nicht konnte. Für Romain Gary, der eine so schwierige Jugend verbracht hat, war die Welt nicht nur ein schöner Ort. Er hat die Welt intensiv beobachtet und erkannt, dass unter der Oberfläche stets die Gefahr lauert. Die Beobachtungen haben ihn zu grundsätzlichen Fragen über das Leben geführt. Seine Perspektive findet man in seinem Roman. Das heißt, das Leben seiner Romanfiguren ist sehr realistisch dargestellt. Er hat dadurch versucht, die Tragödie über den Kern des Lebens zu zeigen.

Claudia: Ja. Ich bin begeistert von „Les racines du ciel" (1958). Das Buch „Peru Vögel“ mochte ich nicht. Warum hat er sich das Leben genommen?
Anja: Warum er sich das Leben genommen hat? Warum? Warum hat er sich selbst eine Kugel in seine Kehle geschossen? Romain Gary hat für seinen Roman Les racines du ciel den Prix Goncourt gekriegt. Erstmals sah es so aus, als würde eine goldene Zukunft vor ihm liegen. Aber seine folgenden Veröffentlichungen bekamen schlechte Kritiken, sodass er langsam in Vergessenheit geriet. Es tauchte ein neuer großartiger Schriftsteller auf, der ihm den Rang ablief, Emile Ajar. Er hat den Roman „La vie devant soi“ 1975 geschrieben und erneut den Prix Goncourt gewonnen. Der in Vergessenheit geratene Romain Gary hat sich eine Pistole in den Mund gesetzt. Nach seinem Tod entdeckte man in einem hinterlassenen Brief, dass Emile Ajar ein Pseudonym für Romain Gary war. Romain Gary ist der einzige Schriftsteller, der zweimal mit den Prix Goncourt ausgezeichnet wurde. Dieser Preis wird in der Regel nur ein Mal an eine Person vergeben. Wegen der Außergewöhnlichkeit seines Lebens sind die Leser stets auf der Suche nach einem Zynismus in seinen Werken. Der letzte Satz aus dem Roman „La vie devant soi“ lautet: „Wir müssen uns lieben“. Er ist kein warmherziger Schriftsteller, aber dass heißt nicht, dass er nur ein Zyniker ist. Als Romain sechs Jahr alt war, hat er ein Stück Leder von seinem Schuh geschnitten und gegessen.
Claudia: Ein Stück Leder von seinem Schuh? Wieso das denn?
Anja: Er wollte ein Mädchen beeindrucken, in das er verliebt war. Ein Freund von ihm hat zehn Spinnen gegessen, um das Mädchen zu beeindrucken. Romain Gary versuchte ihn mit dem Schuh zu übertrumpfen. Dann hat er diesen Schuh ein Leben lang aufgehoben.
Claudia: Der Arme! Er hat diesen stinkenden Schuh ein Leben lang aufgehoben? Wahrscheinlich hat er jedes Mal, wenn sein Stolz verletzt war, ein Stück von seinem Schuh gegessen. Ohne jegliche schmackhaften Zutaten.
Anja: Romain Gary ist bestimmt an der Menschheit verzweifelt! An der Wurzel der menschlichen Existenz! Im 20. Jahrhundert wurden die größten Kriege der Geschichte geführt. Auschwitz. Die Japaner metzelten viele Menschen nieder. Und die große Schlacht in Nanjing. Dann wurde die Atombombe auf Hiroshima abgeworfen. Ein halbes Jahrhundert lang haben die Menschen nur Apokalypse erlebt. Im Roman „Les racines du ciel“, versucht die Hauptfigur einen Elefanten zu retten. Die Figur ist zwar ein Träumer aber körperlich behindert. Vielleicht sind die Menschlichkeit und die Vernunft des Menschen ursprünglich nur eine Illusion, so wie es eine Lüge war, dass Jesus die Menschheit erlösen wollte. Die Realität der Welt nähert sich immer mehr der Hölle. Was wir dringend brauchen, ist nicht naiver Humanismus sondern, ja! die Liebe. Was heißt Liebe? Menschen sind zu kompliziert. Du sagst „Ich liebe dich“, aber in dem Moment wo du es gesagt hast, hat die Liebe schon angefangen zu brechen. Bei mir ist das auch so. Ich sage immer die Liebe, aber kann wirklich keinen Grund finden, warum die Liebe gleichzeitig schon verschwunden ist. Was ich für Liebe hielt, war doch keine Liebe. War es nur eine körperliche Abhängigkeit? Die Menschen möchten Macht haben und kompensieren es mit Sex und verkomplizieren es, weil das Geld dazukommt. In dem Roman racines du ciel wird das Thema der widerlichen Macht des Menschen an dem Kampf von Elefanten gezeigt. Aber niemand konnte genau verstehen, warum die Elefanten sterben mussten. Vielleicht hat die Bosheit der Menschen die Elefanten umgebracht, und uns ebenso, so wird unser Leben arm. Die Welt läuft einfach so weiter. Die Menschen wollen nicht die Elefanten retten, sondern lieber versuchen selbst Elefanten zu werden.
Claudia: Weil die Bäume austrocknen.
Anja: Die Bäume trocknen aus? Du sprichst immer wieder von den ausgetrockneten Bäumen. Meinst Du Romain Gary hat sich wegen der ausgetrockneten Bäume umgebracht.
Claudia: Ja. Nietsche hat gesagt: Die Natur hat keine Meinung über uns. In der freien Natur bleiben wir fröhlich.“ Aber ich füge hinzu: Aber die Menschen misshandeln die Natur.
Anja hat Kopfschmerzen.
Anja: Okay, jetzt muss ich aber weiter schreiben. Ich muss weiter schreiben.
Claudia geht nah an Anja heran, spricht erst leise und dann immer lauter.
Claudia: Die Tiere sterben. Die Bäume trocknen aus. Die Erde trocknet aus. Es wird bald kein Trinkwasser mehr geben. Die Menschen werden krank. Es wird immer neue Krankheiten und Viren geben, aber keine Heilung, weil die Menschen die Natur berauben und vergewaltigen.
Anja sieht sorgenvoll aus.
Anja: Claudia, alles okay? Bist du krank?
Claudia spricht lauter.
Die Menschen brechen die Gesetze der Natur! Die Menschen!
Claudia fängt zu weinen an.
Anja ist überrascht und umarmt Claudia.
Sie löst sich aus der Umarmung. Langsam sprechend.
Claudia: Die Menschen schneiden die Arme der Mutter Erde ab, die uns geboren hat. Die Menschen fressen die Haut der Mutter Erde. Die Menschen schneiden den Busen der Mutter ab und fressen ihr Herz. Die Menschen!
Anja versucht Claudia zu umarmen. Claudia fasst Anjas Handgelenke und schaut Anja direkt in die Augen.
Claudia: Bald wird es nicht mehr regnen. Die Luft wird immer heißer. Die Bäume wachsen nicht mehr. Das Getreide trocknet aus. Oder....? Vielleicht täusche ich mich, vielleicht kann das Getreide für arme Menschen weiter wachsen?
Anja umarmt Claudia und lässt sie los.
Claudia: Anja, bist du nicht müde? Geh doch schlafen. Ich schreibe an meinem Roman weiter. Ich muss jetzt wirklich schreiben. Geh schlafen, bitte!
Claudia entfernt sich von Anja.
Claudia: Alles klar.
Claudia dreht sich um
Claudia: Kann ich jetzt Klavier üben?
Anja: Klavier? Jetzt Klavier üben? Nein, nicht jetzt. Ich muss jetzt schreiben.
Claudia: Okay. Ich mache gar nichts - wie ein toter Mensch.
Anja: Du machst gar nichts?
Claudia: Ja!
Anja dreht sich zu Claudia um
Anja: Vielen Dank!
Anja dreht sich wieder zurück
Anja: Claudia, was hast du gerade gesagt? Du machst gar nichts, wie ein toter Mensch?
Claudia: Ja!
Anja laut.
Anja: Nein! Spiel doch Klavier! Spiel! Ich habe doch für dich den Flügel stimmen lassen! Spiel! Geh spielen! Geh schnell spielen! Spielen! Schnell!
Claudia hat einen hoffnungslosen Gesichtsausdruck. Sie bleibt nur stehen.
Dunkel.

Musik

S#1
Anja fährt auf dem Rad. Sie wirkt unruhig. Sie fährt nach dem Rhythmus der Musik. Sehr lange.

Bühne:
Claudia spielt Klavier, man hört aber die Töne nicht.
Anja schreibt an ihrem Laptop am Tisch. Sie beobachtet Claudia am Flügel.
Claudia spielt elegant und schneller und dynamisch und dann wieder elegant und langsam. Man hört nach wie vor keine Töne.
Anja steht auf und geht zu Claudia. Im gleichen Rhythmus wie Claudia spielt, bewegt sie sich auf Claudia zu. Schnell, dann langsam, sehr langsam, dann schneller werdend.
Anja umarmt Claudia von hinten. Claudia dreht sich zu Anja um. Die beiden Frauen fangen an, miteinander zu schlafen. Der weiße Bademantel von Claudia fällt zu Boden. Claudia zieht Anjas Kleidung aus. Die beiden lieben sich über eine lange Zeit auf akrobatische Art und Weise. Auf dem Höhepunkt kommt eine Bachmusik. „Erbarme dich mein Gott, um meiner Zähren Willen.“

Dunkel.

#1
Man sieht, dass die beiden im Dunkeln Fahrrad fahren. Die Musik von Bach ertönt weiter.

#2
Im tiefen Wald spazieren Anja und Claudia und fassen sich an den Händen.

#3
Sie umarmen gemeinsam einen großen Baum.

#4
Im Wald. Die beiden Frauen küssen sich.